trans balkan race 2023

01.06.2023/Anreise und Briefing

Heute ist der 1.Juni 2023 und ich reise mit dem EuroCity in Richtung Sezana in Slowenien. Dort ist der Ausgangspunkt meines diesjährigen Rad-Highlights, der zweiten Ausgabe des TransBalkanRace. Ein Rennen welches von Slowenien über Kroatien, Bosnien und Montenegro über eine Distanz von 1350 km durch den Balkan führt. Eine Veranstaltung, bei der die Organisatorin eindeutig ein MTB als geeignetes Fahrrad empfiehlt. Des Weiteren werden in einem 38-seitigen Race-Manual die Schönheiten der Strecke und Gegend, aber auch die Herausforderungen, die damit einhergehen, sehr ausführlich beschrieben.

Schon am Startort in Sezana, in der Nähe eines Hotels, bin ich äußerst positiv von der Organisation überrascht. Es werden die Fahrräder kurz begutachtet, der Tracker und sehr viele unterschiedliche und durchaus brauchbare Goodies im Startsäckchen gereicht. Bei einem gemeinsamen Abendessen mit drei anderen Teilnehmern werden Erfahrungen ausgetauscht und mir wird relativ schnell klar, dass die Kollegen am Tisch weitaus mehr Erfahrung mitbringen als ich. Anschließend geht es zum Race Briefing. Hier wird nochmals auf die Gefahren, welche bereits im Race-Manual beschrieben wurden, hingewiesen. Unter anderem handelt es sich um Minenfelder bzw. Danger Zones (welche wir kreuzen werden), streunende Hunde und Hirtenhunde, sowie Bären. Ich begebe mich anschließend früh zu Bett und kann glücklicherweise auch schnell einschlafen.

02.06.2023/Tag 1

Um 8 Uhr wird das Rennen eröffnet und schon ein paar Minuten später rolle ich durch den großen Startbogen. Es machen sich über 100 Radfahrer auf den Weg nach Montenegro. Die Strecke biegt sofort in einen Pfad ab, der anschließend in eine schöne Schotterstraße übergeht. Die grüne Grenze überquerend geht es nach Italien, um kurz darauf wieder über einen offiziellen Grenzübergang nach Slowenien zurückzukehren. Bereits nach 34 Kilometer befinde ich mich auf dem Staatsgebiet von Kroatien, ganz ohne Grenzkontrolle oder ohne es überhaupt richtig bemerkt zu haben. Nur ein paar Autokennzeichen deuten auf den neuerlichen Landeswechsel hin.

Bei Kilometer 115 kehre ich gemeinsam einem jungen Briten in einem Gasthaus in der Nähe eines Skigebietes ein. Dieser klagt, dass er wohl den nötigen Schnitt von 200 Kilometer pro Tag nicht schaffen würde. Ich kläre ihn über seinen Kalkulationsfehler auf und vermittle ihm, dass er „nur“ einen Schnitt von 145 Kilometer benötigt, um den CP2 innerhalb der Karenzzeit zu schaffen. Er schaut mich erstaunt an, aber nachdem ich ihm meine ausführliche Tabelle vorlege, auf dem die nötigen Minimaldistanzen abgebildet sind, habe ich ihn überzeugt. Deutlich ist ihm die Erleichterung über diese Erkenntnis abzulesen. Er bestellt sich daraufhin noch einen Kaffee und Kuchen. Ich jedoch möchte das gute Wetter nutzen und schwinge mich wieder aufs Rad. Auf den nächsten Kilometern erreicht mich zum ersten Mal eine Mitteilung der Organisatorin. Eine größere Holzernte wurde auf einer Forststraße abgelegt, welche zum Queren eine kleine Kletterpartie verlangt. Leider erreicht mich das Re-routing als ich schon beinahe vor dem Hindernis stehe. Gemeinsam mit zwei anderen Teilnehmern kann ich aber das Hindernis schnell überwinden. Der Abend bzw. die Strecke bringt mich parallel zur Küste nach Süden und bietet mir einen wunderbaren Blick auf die Insel Krk.

Ich beende meinen ersten Radtag bei einer Aussichtsplattform, auf der ich meinen Schlafsack ausrolle und um 22 Uhr sanft entschlummere. Noch möchte ich mein Schlafpensum nicht zu sehr reduzieren, das Rennen dauert noch lange und die Strecke ist für mich zu anspruchsvoll, um sie mit erheblichen Schlafdefizit zu bestreiten.

206 km/4370 HM

03.06.2023/Tag 2

Der Wecker reißt mich um 4 Uhr früh aus meinen Träumen. In der Nacht ist starker Wind aufgekommen, welcher das Zusammenpacken meiner Schlafutensilien erschwert. Nach wenigen Kilometern startet ein langer Anstieg zur Hütte Dom Zavižan. Dort angekommen leiste ich mir ein Getränk und bekomme dazu vom netten Hüttenwirt ein paar Riegel geschenkt. Nach diesen wenigen Minuten einer Pause mache ich mich weiter auf den Weg zu einer wunderschönen langen Abfahrt. Dieser Tag führt mich fast gänzlich durch einen schier ewig langen Wald. Viele andere Teilnehmer jammern über die fehlende Aussicht. Ich jedoch finde es angenehm, durch die frische und kühle Luft und das dichte Grün zu rollen. Irgendwann, nach 100 Kilometer spuckt mich der Track bei der Stadt Gospić aus. Ich koste mich durch die angebotenen Backwaren eines Supermarktes und bei einer kurzen Wikipedia Recherche erfahre ich, dass Gospić die Geburtsstadt von Nikola Tesla ist. Die nächsten Kilometer vergehen wie im Fluge. Ich treffe vereinzelt immer wieder andere Teilnehmer und unterhalte mich etwas. Aber die allermeiste Zeit sind unsere Geschwindigkeiten inkompatibel und wir trennen uns wieder. Die letzte Abfahrt vor CP2 ist technisch schwierig und ich laufe immer wieder auf andere Teilnehmer auf, werde aber zum Teil auch überholt. Die anschließende Strecke auf Asphalt genieße ich und drücke nochmals richtig in die Pedale, um endlich meinen ersten Stempel zu erhalten. Dort werde ich warmherzig empfangen, bekomme etwas zu essen und zu trinken.

Leider ist das Haus sehr gut gefüllt und ich finde keinen Schlafplatz vor. Ich rolle meinen Schlafsack aus und lege mich vor dem Eingang auf eine kleine Sitzbank. Es sollte sich aber zeigen, dass dies ein äußerst schlecht gewählter Schlafplatz ist.

Schon wenige Stunden später werde ich von anderen Teilnehmern geweckt, die sich zum Aufbruch bereit machen. Ich dämmere im Halbschlaf dahin und entscheide mich um kurz nach 3 Uhr ein Frühstück zu mir zu nehmen und ebenfalls aufzubrechen. Gegen halb fünf Uhr schaffe ich endlich den Start in meinen dritten Stint.

226 km/4280 HM

04.06.2023/Tag 3

Bei Sonnenaufgang starte ich einen wunderschönen Radtag, die Nebelfelder lichten sich und die morgendliche Kälte wird von der Sonne nur langsam verdrängt.

Die Strecke führt mich technisch anspruchsvoll einige Anstiege hoch. Hier habe ich meine ersten Erlebnisse mit Hunden, welche auf mich zugestürmt kommen, aber zum Glück kann ich Sie mit lauter Stimme und gleichzeitigem Stopp immer vom Leib halten. In der Nähe der bosnischen Grenze muss ich die ersten längeren Schiebeeinheiten einlegen, da die Strecke zu anspruchsvoll ist, um sie zu fahren. Auch die Abfahrten werden technisch anspruchsvoller und verdienen immer häufiger den Namen Singletrail.

Doch dadurch zeigt sich, dass mein Gepäcksystem stabil ist und ich das Rad sehr schön laufen lassen kann. In Knin koste ich mich wieder durch das Backwarenangebot eines Nahversorgers und gönne mir anschließend an der Tankstellle gegenüber einen Kaffee. Nach dieser kleinen Pause führt mich die Strecke vorbei an dem wunderschönen Krčić Wasserfall. Etwas später unterhalte ich mich mit einer Kroatin, welche jahrelang in Deutschland gelebt hat. Es ist ein sehr nettes Gespräch und lenkt gut von den Strapazen und der Monotonie am Rad ab. Die Strecke führt mich anschließend über eine Wiese, welche knöcheltief unter Wasser steht. Zwei Hirtenhunde, welche eine Schafherde bewachen, kommen auf mich zugestürmt. Ich nehme mein Rad und versuche es zwischen mich und den Hunden zu bringen. Doch die Hunde lassen von mir ab, als sie erkennen, dass ich mich nicht weiter der Herde nähere. Ich schiebe das Rad weiter und versinke immer wieder im knöcheltief unter Wasser stehenden Gras. Ein Traum…

Kurz darauf entdecke ich ein paar lederne Handschuhe, von denen ich vermute, dass sie einem französischen Teilnehmer gehören. Sie haben meine Neugier geweckt, da Sie eher aussehen wie Motorradhandschuhe, aber es ist eher nicht zu erwarten, dass sich ein Motorradfahrer auf diese nasse und morastige Wiese verirrt. Ein paar Stunden später, kurz vor dem Anstieg zur bosnischen Grenze, treffe ich den Franzosen wieder und übergebe ihm seine Handschuhe. Er ist sichtlich erfreut. Am Abend betrete ich bosnisches Staatsgebiet, kurz nach der Grenze erspähe ich zum zweiten Mal auf der Tour Wildpferde. Ich finde auch einen perfekten Schlafplatz bei einem Soldatenfriedhof mit einer Gedenkstätte, welche an die Gräueltaten des II. Weltkrieges erinnert. Ich breite meinen Schlafsack aus und nutze die überdachte Gedenkstätte nicht ganz widmungsgemäß als Schlafplatz.

176 km/2760 HM

05.06.2023/Tag 4

Ich wache kurz vor fünf Uhr auf und mache mich eine halbe Stunde später auf den Weg. Entlang einer perfekt asphaltierten Straße rolle ich in Richtung Livno. Ein wunderschöner Morgen und ein traumhafter Blick in das vor mir liegende Tal bestätigen mich in meinem Tun und zaubern mir ein Lächeln ins Gesicht. Auf dem Weg in die Stadt entdecke ich auch immer wieder andere Teilnehmer, welche in der Nähe der Straße ihren Schlafplatz gefunden haben. In Livno decke ich mich mit Lebensmittel und einer SIM-Karte ein und bereite mich auf den mühevollen Anstieg auf die nächste Hochebene vor. Das Cincar-Hochplateau empfängt mich mit heftigem Regen und Wildpferden, die hier oben weit verbreitet sind. Es geht weiter nach Šuica, im Gegensatz zu den anderen Teilnehmern fahre ich nicht in die Stadt, sondern verbleibe auf der vorgegebenen Strecke. Zum Glück komme ich bei einer Tankstelle vorbei, bevor es auf den nächsten Abschnitt geht. Die nächsten 130 Kilometer sind geprägt durch keine oder nur spärliche Spuren von Zivilisation. Beim Eintritt in diesen sehr idyllischen Streckenabschnitt bietet sich mir jedoch ein Bild, welches ich in Europa noch nie so gesehen habe. In einer Geländemulde befindet sich eine Deponie, in deren Nähe sich einige Holzbaracken befinden, die offensichtlich bewohnt sind. In der Umgebung der Deponie verbrennen die Menschen Abfälle, um wahrscheinlich an wertvolle Rohstoffe zu gelangen. Obwohl die nächsten 100 Kilometer wunderschön sind, geistern diese Bilder noch lange in meinem Kopf. Selbst die sogenannte Danger Zone, ein 50 Kilometer Abschnitt, auf denen wir angehalten wurden den Weg nicht zu verlassen, da das Gebiet stark vermint ist, können die Anblicke der Deponie nicht verdrängen. Erst als mich die Strecke am Blindinje-See ausspuckt und ich mich Mostar immer weiter nähere, verblassen die gesehenen Eindrücke sukzessiv. Die asphaltierte Abfahrt nach Mostar bietet mir unfassbar beeindruckende Ausblicke auf die Stadt, welche in einem Kessel auf einer Höhe von lediglich 60 m über dem Meeresspiegel liegt. Ich genehmige mir eine Pizza in einem Straßenlokal und betrete anschließend mein gebuchtes Appartement. Leider bringe ich meine frischgekaufte SIM-Karte nicht zum Laufen und ersatzweise nutze ich verfügbare freie Wlan-Netze zur Kommunikation.

180 km/2600 HM

06.06.2023/Tag 5

Durch auf das Fenster peitschende Regenschauer wache ich auf. Das zu Hilfe gerufene Regenradar zeigt an, dass der Spuk in etwa einer Stunde zu Ende sein wird. Demzufolge entscheide ich mich noch etwas zu schlafen und ausgiebig zu frühstücken. Kurz vor 7 Uhr radle ich aus der Stadt. Die offizielle Strecke bringt mich bei der berühmten Brücke von Mostar vorbei.

Ich ergänze in einem Supermarkt noch meine Lebensmittelreserven und setze dann das Radabenteuer fort. Der Verkehr beruhigt sich immer mehr und es folgt ein langer, asphaltierter Anstieg. Nach einer längeren Schotterstrecke, unterbrochen durch einen kurzen Asphaltabschnitt trifft es mich wie ein Schlag. Routinemäßig will ich meinen GPS-Tracker kontrollieren, doch mein Griff geht ins Leere. Ich kann nur noch den Karabiner und keinen Tracker greifen. Ich stoppe sofort, kontaktiere die Veranstalterin und teile ihr mein Missgeschick mit. Gleichzeitig überprüfe ich mittels Handy, ob der Tracker noch ein Signal sendet. Hier zeigt es sich, dass die letzte übermittelte Position des Senders knapp 10 Kilometer hinter mir ist. Ich bin unschlüssig, ob ich danach suchen soll, entscheide mich aber nach kurzer Zeit dafür, immerhin habe ich 200 Euro Pfand hinterlegt. Beim Zurückradeln kommen mir ein paar andere Teilnehmer entgegen, ich frage jeden, ob er zufällig einen Tracker gesehen hat, leider wird die Frage jedes Mal verneint. Als ich an der der Position angekommen bin stelle ich fest, dass ich den Tracker irgendwo auf einem Wiesenabschnitt verloren habe. Ich lege mein MTB auf die Seite und gehe mit meinem Garmin in der Hand meine gefahrene Strecke mehrmals auf und ab. Kurz bevor ich die Suche erfolglos abrechen will erspähe ich den Sender mit dem kaputten Textilband, direkt neben meinem Fuß. Ein unglaubliches Glücksgefühl durchströmt mich, ich bin wieder im Rennen.

Das nächste offene WLAN nutzend setze ich die Veranstalterin in Kenntnis, dass ich den Sender wiedergefunden habe und mache mich wieder auf den Weg. Kurze Zeit später lerne ich David und Pascal kennen und fahre ein längeres Stück gemeinsam mit den beiden. Schön langsam bricht die Nacht herein und ich fahre mit Helmlampe und Licht am Lenker eine schnelle Abfahrt im dichten Wald. Plötzlich entdecke ich einen Braunbären, welcher links von der Straße einen Abhang herunterkommt und vor mir weiter der Straße entlangrennt. Ich bremse sofort ab. Der Braunbär verlangsamt ebenfalls seinen Schritt und dreht sich um und sieht mich an. Er befindet sich nur ca. 50 Meter vor mir. Ich greife zu meiner Helmlampe und schalte Sie aus. Langsam fange ich an, rückwärtszugehen. Der Bär dreht sich wieder um und trabt gemächlich davon. Ich schalte mein Rücklicht ein und bin erfreut als David und Pascal und ein weiterer Teilnehmer auftauchen. Ich halte Sie an und berichte ihnen von meiner Bärensichtung, die vor wenigen Minuten stattgefunden hat. Wir entscheiden den nächsten Abschnitt gemeinsam zu fahren und unterhalten uns dabei laut um weitere Bären (hoffentlich) auf Abstand zu halten. Den Tag beenden wir auf einem Campingplatz, der plötzlich neben der Strecke auftaucht. Wir entscheiden uns hier die Nacht zu verbringen. Nach meiner Bärensichtung hat niemand Lust auf eine Nacht im ungeschützten Freien.

172 km/3700 HM

07.06.2023/Tag 6

Ich starte um 6 Uhr früh die Weiterfahrt nach Miljevina und treffe mich dort mit einigen anderen Teilnehmern zu einem opulenten Frühstück. Anschließend führt uns der Track wieder 1000 Höhenmeter bergauf. Ich bin von der Gegend hellauf begeistert. Der Sutjeska-Nationalpark beeindruckt durch eine wunderschöne Hochfläche und großartigen Bedingungen zum MTB. Nur ein paar wenige Enduro Fahrer aus Tschechien kreuzen meinen Weg, ansonsten bin ich immer allein unterwegs. Etwas später gelange ich zum CP2 in Popov Most. Die Stimmung der dort anwesenden freiwilligen Helfer ist hervorragend. Wir werden mit Pasta und Getränken bewirtet und ich freue mich bereits auf Montenegro und den Durmitor Nationalpark. Ein kurzer Anstieg und schon befinde mich an dem wunderschön türkisfarbenen Tara Fluss und arbeite mich langsam, aber stetig in Richtung Montenegro vor. Einen kurzen Abschnitt werde ich von zwei streunenden Hunden begleitet. Immer wenn ich versuche, ihnen zu entfliehen fangen Sie an zu bellen. Erst als die beiden Hunde abbiegen und die Straße verlassen, kann ich wieder mein Tempo fahren. Während des Anstiegs zum Durmitor Sattel lege ich eine kurze Erholungspause ein. Als ich endlich die Hochebene erreiche, werde ich von einer dunklen, schwarzen Gewitterfront begrüßt. Etwas unsicher warte ich ab, finde aber keinen vernünftigen Unterstand. Ich schließe mich zwei weiteren Teilnehmern an, die gerade vorbeikommen. Das Gewitter beruhigt sich bzw. zieht weiter und wir werden nur noch von abklingenden Regenschauern begleitet. Ich unterhalte mich mit Brian, der offenbar ein ähnliches Tempo fährt wie ich, bezüglich seiner Pläne für diese Nacht.

Auf der Strecke steht uns noch der Durmitor Sattel bevor. Eine Nacht, hier im ungeschützten Freien erscheint uns als riskant. Kurz vor der Sattelhöhe taucht eine Unterkunftsmöglichkeit auf. Bei einer Cola und freien WLAN-Verbindung reservieren wir uns ein Hotelzimmer im Skigebiet nach der Passhöhe, in Zablijak. Auf dem Weg dorthin wächst unsere Gemeinschaft auf (mit mir) sechs Teilnehmer an. Gemeinsam überwinden wir in der Abenddämmerung die Sattelhöhe und erreichen nach einer schnellen Abfahrt Zablijak. Brian und ich beziehen das reservierte Hotelzimmer. Nach etwas Körperhygiene und einigen Gewehrsalven vor dem Hotelzimmer (vielleicht eine Hochzeit) erlischt das Licht um kurz vor Mitternacht im Hotelzimmer und wir ruhen uns für den nächsten Tag aus.

185 km/4200 HM

08.06.2023/Tag 7

Ich erwache kurz vor 6 Uhr und verstaue meine Utensilien. Da wir Nächtigung und Frühstück gebucht hatten, teile ich Brian mit, dass ich bis 7 Uhr warten und das Frühstücksbuffet in Anspruch nehmen werde. Brian, der eigentlich viel früher starten wollte und jetzt auch schon eher ungeduldig wirkt, schließt sich dennoch mir an. Die Idee bzw. der Vorschlag wird mit einem erstklassigen Frühstücksbuffet belohnt. Frische Brötchen, sehr guter Kaffee, Fleisch in verschiedensten Variationen, Käse, Müsli und mehr lassen uns herzhaft zugreifen und rücken das Rennen für einige Minuten in den Hintergrund. Gegen dreiviertel 8 sitzen wir wieder am Rad und rollen zurück auf den vorgegebenen Track. Da ich das Gefühl habe etwas schneller zu sein als Brian und außerdem in der Einzelkategorie ein gemeinsames Fahren über längere Strecken weder erlaubt noch vorgesehen ist, trennt sich unsere kurze Gemeinschaft wieder. Die Strecke führt mich nun durch einen unglaublichen einsamen Teil Montenegros, dessen Landschaft mich schlichtweg beeindruckt. Das gute Frühstück und die gute Laune lassen mich über die kommenden 70 km regelrecht hinwegfliegen. Als mir ein niederländisches Pärchen entgegenkommt, bleibe ich kurz stehen. Sie erzählen mir von ihrem Wandertrip, ausgehend von Albanien, der sie nun die kommenden 3 Wochen immer Richtung Norden, einem Trail entlang bringen wird. Ich bin begeistert von den beiden und wünsche ihnen noch viel Erfolg und setze meinen Weg zum Ziel des TransBalkanRace fort. Endlich bringt mich die Strecke runter von der Hochebene. Da schon wieder Gewitterwolken aufziehen, hoffe ich endlich Höhe zu verlieren und mich nicht ständig auf über 1000 Meter Seehöhe bewegen zu müssen. Leider stellt sich das als Irrtum heraus. Es geht von 980 Meter wieder zurück auf 1740 Meter Seehöhe. Am Fuße des Anstiegs begrüßt mich ein ausgiebiger Regenschauer. Ich verdrücke zur Motivation 100 Gramm Schokolade und überhole einige andere Teilnehmer bei diesem, aufgrund des schlechten Zustandes der Straße, harten Anstieg. Oben angekommen geht es 500 Höhenmeter auf einer perfekt asphaltierten Straße runter aber daran anschließend folgt der nächste Anstieg. Hier beginnt für mich der schwierigste Streckenabschnitt des ganzen Rennens. Der Track folgt einer für mich zum großen Teil nicht fahrbaren Schotterstraße. Grober Schotter und viele aneinandergereihte, kurze, ekelhaft steile, Stiche bringen mich schier zur Verzweiflung. Die gesamten Nachmittagsstunden lassen mich an meinem Tun zweifeln und nehmen mir die Freude an dem Unterfangen. Irgendwann am späten Nachmittag lege ich mein Rad ins Gras und schraube zum zweiten Mal an diesem Tag (und insgesamt im gesamten Rennen) meine SPD Cleats am Radschuh fest. Anschließend schnappe ich mir meine „Notreserve“ von 200 Gramm Schokolade, begleitet von einem halben Liter Cola, und verdrücke sie in einem Sitz. Dabei betrachte ich den sich anbahnenden, wunderschönen Sommerabend auf knapp 1600 Meter Seehöhe.

Ich nehme mein Smartphone und eruiere die restliche Streckenlänge bis zum Ziel. Es sind noch ca. 95 Kilometer mit nur sehr wenigen Gegenanstiegen und mit überwiegend asphaltierter Straße. Ich stimme mich auf ein Durchfahren bis zum Ziel ein. Die mir einverleibten 160 Gramm reiner Zucker lassen meinem Hirn diese Idee als durchaus rational erscheinen. Ich schwinge mich wieder auf mein MTB und mache mich auf den Weg. Kurz darauf beginnt die lange Abfahrt in Richtung Nikšić. Hier kaufe ich mir an einer Tankstelle ein paar stark zuckerhaltige Getränke. Als ich weiterfahre, treffe ich Pascal und David wieder. Wir rollen die nächsten Kilometer gemeinsam in Richtung Risan an der Kotor Bucht, dem Ziel dieses Rennens. Ich finde es angenehm auf der Straße nicht allein fahren zu müssen. Vor allem da ich nach den letzten Tagen wieder etwas Eingewöhnung hinsichtlich des deutlich höheren Verkehrsaufkommens auf diesem Streckenabschnitt benötige. Gegen zwei Uhr früh erreichen wir die alte Bergstraße und haben einen wunderschönen Blick auf die Bucht.

Um ca. 02:20 erreichen wir das Ziel. Leider empfängt uns niemand. Jedoch sind nach einer kurzen Orientierungsphase die zwei wichtigsten Dinge organisiert: Pasta & Bier.

232 km/ 4390 HM

Einige Zahlen:

Strecke :1379 Kilometer

Höhenmeter: 26.300

Zeit: 162 Stunden 22 Minuten

Zeit in Bewegung: 90 Stunden 30 min

Schnitt: 15,2 km/h

Schnitt (brutto): 8,5 km/h

Foto 1, 3, 4, 5, 7 und 8: Stefan Eferdinger

Foto 6 und 2:
Homepage https://morschphoto.smugmug.com/
Instagram https://www.instagram.com/morschphoto/
Facebook https://www.facebook.com/morschphoto

text: stefan eferdinger

2 Gedanken zu „trans balkan race 2023&8220;

  1. Sehr schöner Bericht, Stefan, ich erkenne jeden einzelnen Meter wieder.
    unglaublich… ein Bär… ich habe nur jede Menge Bärendreck gesehen und nun verstehe ich auch, warum bei uns Lakritze auch Bärendreck genannt wird. Das sieht fast gleich aus…schwarz und glänzend.
    meinen Bericht und Video findest du unter https://www.lumacagabi.com/transbalkan-race-deutsch/
    Nach AMR, GranGuanche Gravel und TBR geht es übermorgen wieder los … Bikepacking Trans Germany.
    LG Gabi

  2. Toll Stefan!
    Dein Bericht hat mich von Anfang an gefesselt. Es grenzt beinahe an ein Wunder, dass du den Tracker wiedergefunden hast.
    Nochmals Herzlichen Glückwunsch!

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