bella italia (version 2024) – von bari nach bologna

prolog und 1. etappe (9. april): von bari nach cerignola: 86km. 286hm.

genauso wie unser erster größerer ausflug nach italien im jahre 2021 ist auch diese reise äußerst kurzfristig und spontan geplant. mein leben befindet sich zwangsläufig im großen umbruch und duldet keine längeren verschnaufspausen. erneut heißt unser ziel aus logistischen gründen bologna. den startpunkt verlegen wir nach bari, da wir uns dort für diese frühe jahreszeit wärmere temperaturen erhoffen. ich bin gespannt, ob mein mageres trainingspensum von 1500 kilometern für unser vorhaben ausreichen wird.

früh am morgen starten wir voller elan in den tag. doch bereits am regensburger bahnhof müssen wir uns 20 minuten gedulden, da der lokführer auf sich warten lässt. kurz nach 9 uhr kommen wir in nürnberg an und schnappen uns die nächste u-bahn zum flughafen. die kartons, in denen sich unsere räder befinden, sind schnell aufgegeben. auch den security check lassen wir zügig hinter uns. es ist 10 uhr. wir haben immer noch eineinhalb stunden zeit bis zum abflug. zufällig schweift mein blick auf die anzeigetafel. der einzige flug, der an diesem tag verspätung hat, ist…unserer – und das gleich um 1 stunde und 45 minuten! mich trifft der schlag. unsere ganzen pläne werden über den haufen geworfen, weil wir nicht mehr wissen, ob wir die heutige etappe von bari nach cerignola zeitlich überhaupt noch schaffen. es wird wild gerechnet und nach einem alternativen ort gesucht, wo wir nächtigen könnten. es hilft alles nichts. wir müssen abwarten und noch einmal drei stunden zeit am nürnberger flughafen totschlagen. dann endlich geht es los. hannes und seine sitznachbarin stehen während des flugs beträchtliche ängste ob des starts und auch der landung durch. heil und unbeschadet kommen wir indes gegen 15 uhr in bari an. im flugzeug haben wir alles bis ins kleinste logistisch durchdacht. ich stürme in die nächste toilette, um mich dort umzuziehen, während hannes unsere kartons in empfang nimmt. wir suchen uns eine stelle etwas abseits des flughafens, wo wir in windeseile unsere räder aufbauen – ich glaube, so schnell war ich noch nie. hannes, der natürlich noch rascher fertig ist, wirft sich währenddessen in schale.

kurz nach vier uhr sitzen wir tatsächlich schon im sattel. unser für heute anvisiertes ziel scheint wieder realistisch zu sein. der wind ist uns gewogen und wir treten ordentlich in die pedale, sodaß wir kurz nach 19 uhr in cerignola ankommen. ich telefoniere mit meiner tochter, während hannes unsere heutige bleibe inspiziert. wir sind untergebracht in einem bed & breakfast namens „alice im wunderland“. weiße hasen hoppeln durchs wohnzimmer. es ist wie eine andere welt. wir sind froh, daß wir es bis hierher geschafft haben und die morgige etappe nicht künstlich verlängern müssen. nach der körperpflege besuchen wir ein unscheinbares ristorante, in dem auch die pizza nicht weniger unscheinbar ist. aber es geht jetzt einzig und allein darum, satt zu werden und gut gestärkt in die nächste und dann ernsthafte etappe zu starten.

2. etappe (10. april): von cerignola nach telese terme: 177km. 2266hm.

um viertel nach 8 verlassen wir die weißen hasen. der wind bläst uns mit einer geschwindigkeit von 25km/h stramm ins gesicht. auch die temperaturen fallen empfindlich. heute müssen wir einen größeren hügel erklimmen, der uns auf über 800m ü.d.m. führen wird. zahllose windräder zeugen von der windstärke in dieser region.

foto: hannes klessinger

dreimal muß ich einen sprint anziehen, um freilaufenden hunden zu entkommen. das ist ziemlich nervig, gefährlich und kräftezehrend. auf halber strecke machen wir rast in ariano irpino. gerade so erwischen wir eine bar, die noch eine dreiviertelstunde geöffnet ist. dort erhalten wir ein paar halbherzig angewärmte teigfladen und bier. gegen 14 uhr machen wir uns wieder auf den weg. ein großteil der für heute angesetzten höhenmeter sollte bereits hinter uns liegen – so denken wir jedenfalls. der wind ist weiterhin brutal und macht uns mürbe. wir kämpfen uns weiter und verlieren langsam wieder an höhe.

ca. 35km haben wir noch vor uns und wähnen uns bereits in sicherheit. doch der schein trügt. nun setzt uns nicht der wind zu oder irgendwelche freilaufenden hunde – jetzt sind es baustellen. diese zwingen uns mehrmals dazu, riesige umwege zu fahren, die uns 17 (!) zusätzliche kilometer und 500 (!) höhenmeter bescheren. wir sind ziemlich genervt. schlußendlich begeben wir uns auf eben jene schnellstraße, die wir eigentlich vermeiden wollten. während riesige trucks dicht an uns vorbeirauschen, versuchen wir halbwegs unversehrt zu unserem heutigen zielort telese terme zu gelangen.

gegen 18.30 uhr sind wir dann endlich vor ort. diese beschissenen baustellen haben uns sicherlich eineinviertel stunden an zeit gekostet.

3. etappe (11. april): von telese terme nach valmontone: 178km. 1401hm.

bei frischen 6 grad machen wir uns um 8.15 uhr wieder auf den weg. trotz der kälte kommen wir gut voran. ca. 50km nach dem start reißt bei hannes allerdings ein schaltzug und verfängt sich so, daß ein teil im schalthebel stecken bleibt und sich nicht mehr ohne entsprechendes werkzeug lösen lässt. ein älterer italienischer rennradfahrer eilt uns zu hilfe und wir stellen die schaltung so ein, daß hannes auf dem großen blatt weiterfahren kann.

nach 80 kilometern erreichen wir cassino und schauen uns dort nach einer fahrradwerkstatt um. in einer autowerkstatt kann ich mit meinem italienisch eine zange ergattern. doch der sich immer noch im schalthebel befindliche rest des schaltzugs bleibt hartnäckig. 100 meter weiter finden wir eine so genannte fahrradwerkstatt. irgendwann taucht ein älterer herr auf, der uns aber auch nicht weiterhelfen kann. „versucht es doch mal bei gino. die erste links und dann die zweite wieder links“, gibt er uns den väterlichen ratschlag. seiner routenbeschreibung folgend entdecken wir tatsächlich einen ganz alten laden, der gino gehört. mit meinem spärlichen italienisch erkläre ich ihm die problematik. gino, ein mann mitte 60, hilft uns bereitwillig. er scheint ein herzensguter mensch zu sein. während der reparatur unterhalte ich mich mit einer frau hinter der ladentheke, die ginos tochter sein könnte. die fahrradwerkstatt gebe es schon seit dem zweiten weltkrieg und werde nun bereits in der 3. generation geführt, erzählt sie mir. zuerst der großvater, dann der vater und jetzt gino. zu dritt pfriemeln wir an hannes` fahrrad herum und irgendwann ist auch der schaltzug wieder ausgetauscht. ich bitte gino um luft für unsere reifen. er kümmert sich auch um mein rad, schmiert die kette nach und macht alles wieder voll funktions- und betriebstauglich. voller dankbarkeit bitte ich ihn, ob ich eventuell noch ein, zwei fotos von seinem laden machen dürfte. es ist ein uralter wunderschöner italienischer fahrradladen mit entsprechenden ruhmesecken.

rechts fausto coppi…

…links marco pantani

als ich gino schließlich nach den kosten für die reparatur frage, möchte er nur fünf euro haben. hannes drückt ihm stattdessen 20 in die hand, was ich sehr gut finde. wir verabschieden uns von gino und bedanken uns herzlich.

trotz allem hat uns dieser „spaß“ wieder eineinviertel stunden an zeit gekostet und die müssen wir nun erst einmal wieder reinholen. dummerweise bewegen wir uns auf hauptverkehrsstraßen. zwar nicht auf autobahnen, aber trotzdem auf staatsstraßen, die unglaublich stark befahren sind. es ist zum kotzen. als wir dann endlich rast machen, ist es bereits halb zwei. da die zeit drängt, begnügen wir uns mit einem kleinen imbiss.

nach nur 45 minuten pause sitzen wir schon wieder auf den rädern. wir haben immer noch 90 kilometer zu bewältigen – und die werden zäh. nicht die höhenmeter sind dabei ausschlaggebend, sondern der verkehr. teilweise fahren die lkw- und autofahrer so nahe an uns vorbei, daß gerade einmal eine hand dazwischen passt. im sekundentakt werden wir überholt. mit zunehmender erschöpfung lässt auch die konzentration nach. irgendwann biegt ein autofahrer auf der gegenfahrbahn unversehens links ab. ich steige voll in die „eisen“ und kann gerade noch abbremsen. andernfalls wäre ich diesem rücksichtslosen vollidioten frontal auf den motordeckel drauf geknallt. lauthals schimpfe ich vor mich hin. aber solche brandgefährlichen situationen bleiben uns leider nicht erspart.

wir versuchen strecke zu machen, um noch zu einer halbwegs passablen zeit anzukommen. Um 18.15 uhr erreichen wir dann schließlich valmontone. für unsere heutige unterkunft haben wir uns ein lauschiges hotel direkt neben der autobahn ausgesucht. alles wirkt so friedlich. morgen wird unser weg nach rom führen und wir hoffen inständig, daß sich danach die verkehrsthematik ein wenig ändert…

4. etappe (12. april): von valmontone nach orvieto: 170km. 1774hm.

heute gelingt es uns, zeitig aufzubrechen. es ist noch nicht einmal 8 uhr, als wir den startknopf drücken. die letzten 30 kilometer nach rom liegen vor uns. der verkehr ist erwartungsgemäß groß. aber nicht mehr ganz so schlimm wie gestern.

es ist immer wieder ein erlebnis, in rom zu sein, auch wenn wir wahrscheinlich eine gute stunde brauchen, um uns rein- und wieder rauszumogeln.

als wir rom wieder verlassen, wähnen wir uns bereits in sicherheit – doch weit gefehlt! nun befinden wir uns auf einer vierspurigen bundesstraße mit befestigtem mittelstreifen. auf diesem „monster straight outta hell“ müssen wir leider geschlagene 20 kilometer zurücklegen, bis wir dann in monterosi – der name ist programm (monterosi = montessori) – eine pause einlegen. bei pasta und bier schauen wir uns die strecke noch einmal an und sehen zu unserem glück, daß wir nicht mehr wirklich lange auf dieser lebensgefährlichen bundesstraße weiterfahren müssen. wir zweigen nach rechts ab und bewegen uns ab hier – gott sei dank! – auf unbelebteren straßen weiter. es folgt das allseits bekannte toskana-hügel-hopping. die landschaft wird lieblicher. es ist insgesamt angenehmer zu fahren und mehr für`s auge geboten.

40 kilometer vor dem ziel machen wir noch einmal rast und genehmigen uns bei sommerlichen 32 grad eine kalte cola, um ein bißchen „la dolce vita“ einzug halten zu lassen.

bereits um viertel nach fünf kommen wir bei unserer unterkunft an, was uns beiden recht ist. wir können einen wenig verschnaufen und haben mehr zeit für die regeneration. draußen im garten telefoniere ich mit meiner tochter und zeige ihr den mächtigen stadtfelsen von orvieto, den wir morgen erklimmen werden.

5. etappe (13. april): von orvieto nach burchio: 165km. 1396hm.

wie erwartet ist der anstieg zur altstadt von orvieto ziemlich steil. zudem ist der letzte abschnitt auch noch gepflastert. wahrlich schwer zu erklettern. als wir oben ankommen, ist es 8.30 uhr. die straßen sind menschenleer und wir haben die ganze stadt für uns. zuerst begutachten wir natürlich den prächtigen dom von orvieto – ein unbestrittenes meisterwerk spätmittelalterlicher gotischer architektur.

da orvieto eine touristische attraktion darstellt, kostet das auffüllen der trinkwasservorräte ein vermögen. wir radeln weiter und befinden uns schon bald im nächsten gewaltigen anstieg. hier haben wir die rechnung ohne komoot gemacht. die kletterpartie entpuppt sich als beschissene offroad-tortur: knapp 300hm bei durchschnittlich 10% steigung auf grobem schotter – teilweise einfach nicht mehr befahrbar. hannes ist weit voraus. er hat wohl nicht gesehen, daß ich zuvor an der abzweigung zu diesem höllenportal vorbei gerauscht war. ich steige gerade wieder auf`s rad, als mir eine meute von hunden entgegen fetzt – und das in der denkbar ungünstigsten situation bei 18% steigung auf grobem schotter. ich weiß immer noch nicht, wie ich da ungeschoren davon gekommen bin. ein kläffender hund ist eine hand breit von meiner rechten wade entfernt. ich schreie laut um hilfe. der schreck fährt mir in die glieder. ich entkomme diesen höllenkreaturen gerade noch so in letzter sekunde. zum kotzen! mein herz klopft. doch der anstieg ist noch nicht beendet. während ich mich langsam empor arbeite, habe ich immer ein auge auf die umliegenden höfe und eventuelle beschissene freilaufende hunde. endlich komme ich oben an. doch von hannes keine spur. weiter unten treffen wir dann wieder zusammen. hannes hat versucht, mich anzurufen. doch mein telefon war aus. immerhin ist alles noch einmal gut gegangen. nachdem der schreck einigermaßen überstanden ist, radeln wir weiter.

bei heißen 34 grad legen wir in camucia in einer einfachen trattoria eine mittagspause ein. nach einer stunde machen wir uns wieder auf die socken und kommen ohne größere pausen gegen 17 uhr in burchio an.

kleiderpflege in burchio

abends speisen wir im hoteleigenen ristorante. ein edel-restaurant und natürlich arschteuer. die rechnung schlägt mit 110€ zu buche. das ist dann wohl mein persönliches „messina“ (siehe „bella italia (version 2022) – von rom nach palermo“). eine halbe stunde diskutiere ich mit einem kellner, ob ein trockener rotwein zum fisch passend wäre. schließlich setze ich mich durch. die flasche rotwein ist gut, aber mit 36€ völlig überteuert. selbiges trifft auf das essen zu. satt werden wir natürlich auch nicht. da haben wir uns keinen gefallen getan. aber was soll`s…

6. etappe (14. april): von burchio nach bologna: 146km. 1705hm.

nach einem für das gestrige desaster halbwegs entschädigenden, reichhaltigen frühstück starten wir um 8.40 uhr los. es geht gemächlich dahin. wir passieren einen kleinen ort in der nähe von florenz, wo dieses jahr der grand départ der tour de france stattfinden soll.

weiter gondeln wir vorbei am lago di bilancino und machen rast in barberino di mugello.

lago di bilancino

nach der pause beginnt der eigentliche anstieg, der uns in der spitze bis auf ca. 970m ü.d.m. den apennin hinauftragen wird. bei 33 grad strampeln wir fleißig hoch und erreichen auf 903m ü.d.m. den passo della futa.

geht es hier tatsächlich nach…?

landschaftlich ist es sehr schön hier. den einzigen wermutstropfen müssen wir mit den unzähligen motorradfahrern schlucken. es scheint, als befänden wir uns in „biker`s heaven“. als wir schließlich auf 968m ü.d.m. am passo della raticosa ankommen, ist die passhütte mit motorrädern vermint.

zügig nehmen wir die abfahrt in angriff und erreichen zeitig unser ziel bologna.

2 kilometer vom bahnhof entfernt schlagen wir unser quartier auf und machen uns frisch. vor dem abendessen unternehmen wir einen kleinen rundgang durch die wunderschöne universitätsstadt.

universitätsviertel

die zwei türme: asinelli und garisenda

rund…

um…

den…

…piazza maggiore

im anschluß suchen wir uns ein ristorante und gönnen uns das erste gelato auf dieser reise. nach nur fünfeinhalb tagen beenden wir in bologna unsere diesjährige italien-wanderung. dennoch freuen wir uns, daß es trotz der widrigen umstände überhaupt geklappt hat.

epilog

früh am morgen machen wir uns auf den weg zum bahnhof. pünktlich um 7.45 uhr verlässt unser zug bologna, baut aber im laufe der zeit eine verspätung von gut 10 minuten auf. diese reichen, um uns gewaltig in die bredouille zu bringen. in münchen müssen wir nämlich noch unseren anschlußzug nach regensburg erreichen. im zug treffen wir einen radkollegen, der über meran nach bozen gesegelt ist und ein ähnliches problem hat wie wir. dummerweise fährt unser zug nur bis zum münchner ostbahnhof. von hier müssen wir mit der s-bahn, die wir gerade noch so erwischen, weiter zum hauptbahnhof. was dann passiert, ist ein atemberaubender sprint samt rädern und mit cleats versehenen fahrradschuhen vom untergrund über unzählige rolltreppen hinauf zu gleis 25. ich schreie wild in die menschenmenge: „aus der bahn!“ keuchend erklimmen wir die letzten treppen. wir sprinten zum zug und springen gerade eben noch in den allerletzten waggon. „hier keine fahrräder!“, blafft der schaffner. „das ist mir egal!“, tobe ich – immer noch komplett vom adrenalin gepeitscht. wir sind vielleicht 10 sekunden im zug, als dieser auch schon losfährt. so ein finale hätten wir nun wirklich nicht gebraucht. die erfahrung lehrt indes, daß genau dies meistens der fall ist. im zug unterhalten wir uns mit einer brasilianerin, die sehr wissbegierig ist. kurz schildern wir unsere erlebnisse auf der fahrt von bari nach bologna, während unser puls sich langsam wieder beruhigt.

922km. 8828hm.

kalorienverbrauch: ca. 18.500

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