Also doch wieder Österreich. Der „einfachste 1000er“, ursprünglich im Juni, jetzt auf Ende Juli verschoben, steht an. Und konkurriert mit dem Superbrevet „Berlin-München-Berlin“, für das ich mich in einer anderen, weit entfernten Zeit, auch angemeldet hatte.
Mit dabei, wie auch letztes Jahr in Frankreich, ist Thomas. Dieser lädt mich am Freitag in sein Auto und wir fahren unserer gemeinsamen Odyssee entgegen.
Bis dahin mussten noch einige Zacken überwunden werden.
Start am Samstag um fünf Uhr in Haid/Ansfelden bei Linz. In der Morgendämmerung gehts los. Wie so oft geht es recht flott zur Sache. Wir fahren an die Berge Richtung Atter- und Mondsee. Die ersten 100km sind zum Warmfahren, nicht nur körperlich. Die Gedanken kreisen um die Sinnhaftigkeit der Unternehmung, all den Unwägbarkeiten, die vor einem auftauchen könnten. Schon vor dem ersten größeren Anstieg, der Postalm, sprengt es das kleine Fahrerfeld auseinander. Es gesellt sich auch der Michael zu uns. Dieser ist „touristisch“ unterwegs, er hat ein schweres Alltagsrennrad mit Gepäckträger zwischen den Beinen. Er ist noch jung und sein Palmares ist beachtlich. Es ist bereits seine dritte Teilnahme an der Veranstaltung und uns beiden somit eine große Hilfe, was Strategie und Logistik anbelangt.
Thomas` Sorge, Kontrollstellen wegen fehlender Wegpunkte am Wahoo zu verpassen, lösen sich dank Michaels Erfahrung in Luft auf.
Bis um 14 Uhr erreichen wir Bruck am Großglockner, Ausgangspunkt für den längsten Anstieg unserer Tour. Die Berge sind wolkenverhangen, aber wir haben Glück, und es bleibt, wie auch die ganze restliche Reise, trocken. Wir kurbeln in Zeitlupe zum Hochtor, Thomas holt mich zur Hälfte ein und entschwindet langsam aber stetig nach oben. Er hat als persönliches Handicap eine Übersetzung von 40×32 gewählt. Vorm Fuscher Törl bin ich kurz davor abzusteigen. Mir schwinden die Kräfte und der Wille. Da hilft nur Essen und Trinken und Weitertreten.
Am Gipfel der Tour
Geschafft, auch Michael ist schneller da, als gedacht. Wir ziehen uns was über, rollen runter und raus durch das Mölltal auf Betonplatten Richtung Spittal a.d. Drau. In ein paar Stunden
wird an gleicher Stelle Adam von Wien kommend den Glockner passieren. Mit dem kleinen, feinen Unterschied, dass er eine ca. doppelt so lange Strecke vor sich hat und das Ganze
auch recht sportlich angehen wird, aber das ist eine andere Geschichte. Vor Ort gibt es alles, was man braucht: Dusche, Essen, Trinken und einen Schlafplatz. Das letzte Glockengeläut, dass ich wahrnehme ist viertelelf, gute fünf Stunden tiefer, erholsamer Schlaf holen mich ein.
Sonntag, fünf Uhr: Wir gabeln unterwegs Stephanus auf und fahren zu viert die Drau flussabwärts, südlich vom Wörthersee eine Achterbahnfahrt in die Karawanken hinein. Ein sportlicher Freund von Stephanus begleitet uns eine Weile und zieht das Tempo an. Wir begegnen auch Michi und Walter, zwei alten Hasen aus Treuchtlingen, sie hatten sich, wie üblich, für eine Übernachtung im EC-Hotel entschieden und rollen sehr gleichmäßig dahin. Als einzige größere Prüfung des Tages steht heute der Soboth an, eine fiese Rampe mit 1000 hm auf 10km. Aber nach dem Glockner am Vortag ist dieser Hundling dann doch recht überschaubar. Wir verlieren Stephanus am Anstieg, er muss zu viele Kilos hochwuchten.
Thomas` kurze und knappe Zusammenfassung des langen Wochenendes: „Prioritäten: 1. Radfahren, 2. Essen —- 3.Schlafen, 4.nix“.
Weiter gehts durch die steirische Toskana ins Grazer Becken, wunderschöne Landschaften.
In Fürstenfeld noch schnell eine Schnitzelsemmel reingepresst, dann mit Speed nach Kaindorf, unserer zweiten Nächtigung. Michael will eigentlich noch 80 km weiterfahren, wir einigen uns aber auf eine kurze Schlafpause. Wieder werden wir wohl umsorgt, wir finden uns aberwitzig in einem Wellnessbereich wieder, ich sitze für fünf Minuten in einer Sauna.
Ein paar Stunden Schlaf und komatöses Geschnarche, schon klingelt der Wecker um halb zwei. Wir quälen uns Richtung Norden auf einer welligen, großen, aber zu dieser Uhrzeit nur mäßig befahrenen Bundesstraße zäh voran.
Freunde der Nacht
Nach 50 km erreichen wir den Wechsel mit seinen fast 1000 Meter Höhe. Anstatt die Windjacke überzuziehen, lege ich kurz vor der langen Abfahrt die Handschuhe ab und friere die nächste Stunde. Weiter bei Sonnenschein über die Kalte Kuchel, Mariazell (dem österreichischen Altötting), eine lange Abfahrt an der Salzach Richtung Enns. Michael gab nochmals ordentlich Gas, er musste ja noch seine Kinder bei den Schwiegereltern abholen, wir lassen ihn, ob unserer schwindenden Kräfte, ziehen. Die vielen kleinen Hügel sind fieser als ein langer Anstieg. Noch hatten wir ca. 100 km vor uns, Thomas und ich beschlossen, etwas rauszunehmen und rollten gemächlich dahin. Nachdem wir die letzte Kontrolle 35 km vor dem Ziel erreicht und ein alkoholfreies Weißbier in unsere trockenen Kehlen gefüllt hatten, kam dann doch so etwas wie ein Endspurt zustande, um unter 61 Stunden zu bleiben.
Ein paar nette Worte, Essen und Trinken, Duschen, Sachen packen und ins Auto und ab nach Hause. Dank der Schlafpausen keine größeren körperlichen Ausfälle unterwegs, Müdigkeit und Hunger waren nach drei Tagen wieder weg, als zusätzliche Erinnerung bleiben zwei vorerst taube, kleine Finger.
Ausgelaugt
Nächstes Jahr die 1001 Miglia? 2022 HH-B-K-HH? Und 2023 wieder P-B-P?
1002km 11900hm 61h
text & fotos: hannes klessinger
Netter Bericht Hannes. Da kriege ich ja direkt Lust, mir den österreichischen Superbrevet mal aus der Nähe anzusehen. 🙂