Es ist wieder einmal soweit – unsere alljährliche „Auszeit-in-die-Höhe-Woche“ beginnt und wir machen uns auf die Reise in hügeliges Terrain. Hannes und Sailo können aus verschiedenen Gründen in diesem Jahr leider nicht mitfahren und verharren „lieber“ im heimischen WM-Trubel. Der Rest startet Samstag früh von Regensburg Richtung Süden. Der Plan: 3 Tage französische Alpen und vier Tage schweizer Pendant rund um Andermatt. Wir haben eine kleine Bucket-List an klassischen Alpenpässen und Anstiegen der großen und kleineren Rundfahrten zusammengestellt, die dem ein oder anderen schon bei der Routenplanung euphorisierende Gänsehaut-Momente bereitet haben.
Die Fahrt nach Frankreich verläuft äußerst entspannt und wir kommen gut durch. Vorbei am Bodensee und einem kleinen Zwischenstopp in der Schweiz erreichen wir wenige Stunden später französischen Boden. Unser Ziel ist das Maurienne-Tal, wo Philip in Saint-Michel-de-Maurienne ein feines kleines Tinyhouse in einer Campingplatz-Anlage aufgestöbert hat, das wir als Basislager beziehen. Wir richten uns schnell ein und machen uns an die Vorbereitungen für den ersten Radtag. Die Wetteraussichten klingen für die gesamte Woche erst einmal nicht sehr vielversprechend – bedeckt mit vereinzelten Schauern und kühl. Aber wie so oft, kann sich das in den Bergen ja auch gerne mal schnell ändern 🙂 Für den morgigen Vormittag sieht es zumindest noch verhältnismäßig gut aus.
Télégraphe – Galibier – Lacets de Montvernier
Wir beschließen also am Sonntag als erstes den Galibier anzugehen, und soweit das Wetter hält die Lacets de Montvernier anzuschließen. Wer über Valloire zum Galibier will muss erst den nördlich gelegenen Vorpass Télégraphe erklimmen. Mit seinen im Schnitt 7% und nur wenigen steileren Rampen lassen sich die 850hm in einem guten Rhythmus klettern. Der Verkehr ist gemäßigt und durch die vielen Radfahrenden scheinen alle entsprechend sensibilisiert zu sein. Es ist der erste Anstieg, die Beine sind gut, wenngleich ich mit ein wenig gedrückter Erwartung in die Woche ging, da die Formkurve langsam spürbar dem natürlichen Lauf der Zeit nachgibt und merklich abnimmt. Aber um genau dem entgegenzuwirken sind wir ja da, also schauen wir mal was möglich ist. Die anderen lassen es gewohnt ruhig angehen und überlassen mir damit die erste Bergwertung. Wir rollen gemeinsam die kurze Abfahrt nach Valloire hinunter und füllen kurz die Flaschen auf, ehe es gleich weiter zum Galibier geht.
Die Anfahrt zum eigentlichen Anstieg zieht sich ein wenig und die ersten 10km mit knapp 6% sind relativ unspektakulär. Bei etwa 2000hm beginnt in einer 180° Kehre der Anstieg in den Galibier und die Steigung zieht deutlich an. Die Straße wird schmaler und die wunderbare Alpenlandschaft saugt einen sofort auf. Ich bin hier bereits auf mich alleine gestellt und habe meine Mitstreiter vor einer Weile im „Flachstück“ hinter mir gelassen. Nach und nach sammle ich vor mir in den Anstieg gegangenen Radfahrer und Radfahrerinnen ein. Von Kopf bis Rad in Tricolore, aber aus Spaß und zur Verwirrung ziehe ich mit einem beherzten ¡Hola! an ihnen vorbei. Nach 17km erreiche ich die Abzweigung zum Scheiteltunnel. Hier ändert sich für die circa letzten 100hm mit ihren drei Kehren die Landschaft nochmal merklich und ich beschließe kurz für ein Foto anzuhalten. Als ich gerade in aller Seelenruhe meine sieben Sachen wieder einpacke, bemerke ich, dass Michael mir dichter auf den Versen ist als ich dachte und schwinge mich schnell wieder aufs Rad, um die heutigen HC Punkte noch einzustreichen.
Es ist quirlig, windig und recht kühl am Pass, und so entscheiden wir uns nach einer kurzen Fotopause, die 100hm zur Tunnelabzweigung hinunterzufahren und dort in der Sonne und windgeschützt auf Philip zu warten, der kurz danach an uns auf seinen Abstecher zum Pass vorbeirollt. Nach einem kurzen Austausch der Begeisterung über den gelungenen Auftakt, machen wir uns in die Abfahrt zurück Richtung Valloire, wo wir die Speicher nochmal auffüllen wollen. In einer kleinen Bäckerei werden wir herzlich mit den leckersten Schinkenbaguettes versorgt – für Philip natürlich „mais très important sans beurre“. Das Wetter scheint zu halten und wir machen uns frisch gestärkt zurück über den Télégraphe auf den Weg Richtung Saint-Jean, um mit den Lacets de Montvernier die heutige Runde abzuschließen. Die einzig mit dem Rad zu befahrende Landstraße trübt leider ein wenig die ersten schönen Eindrücke des Tages. Es gibt keine andere Möglichkeit das Tal zu durchqueren, und so müssen wir uns auf dem oftmals nicht vorhandenen Rad-/Seitenstreifen mit den vorbei donnernden LKWs langhangeln. Dazu kommt noch ein unglaublicher konstant anhaltender Gegenwind. Als wir die Abzweigung von der Landstraße zum Fuss des Anstiegs erreicht haben, und der tosende Lärm abnimmt, stoppen wir nochmal kurz, um etwas durchzuatmen und runterzukommen.
Vor nicht einmal 10 Jahren entdeckte die Tour die kleine sich in kurzen knackigen Serpentinen schlängelnde Straße und hat sie seitdem regelmäßig im „Programm“. Schnell gewinnt man hier an Höhe. Im kleinen Örtchen Montvernier erwartet einen dann eine Quelle zur Erfrischung. Im Tal ist es zum Nachnmittag hin erstaunlich warm geworden und wir müssen noch die „schöne“ Landstraße zurück. Bergauf, dafür aber mit Rückenwind 🙂 In Saint-Jean belohnen wir uns noch mit einem kurzen Stop an der Eisdiele und saugen das „joie de vivre“ auf, ehe wir die letzten Kilometer nach Hause rollen.
Mollard – Croix de Fer – Glandon
Tag zwei, die Reisgruppe ist gut gelaunt und nach einem kurzen Frühstück machen wir uns auf den Weg zur zweiten Runde. Um in dieser Gegend bzw. von unserem Startpunkt aus irgendwelche Ziele zu erreichen, führt an der gruseligen Landstraße leider kein Weg vorbei. Wir fahren also nochmal ein Stück Richtung Saint-Jean ehe eine kleine Straße den langen Anstieg zum Mollard einläutet. Es wird schlagartig ruhig und wunderschön. Ab und an durchqueren wir kleine Orte, füllen die Flaschen auf oder halten einfach kurz an, um den Blick schweifen zu lassen. Nach einer kurzen Abfahrt erreichen wir eine Abzweigung und entschließen uns einen kleinen Umweg zu fahren, um die „Panorama-Route“ zum Croix de Fer der kürzeren Anfahrt vorzuziehen. Der Weg schlängelt sich hoch zu einem kleinen Plateau von dem aus eine schnelle kurze Abfahrt zum Fuß des finalen Anstiegs führt – eine gute Gelegenheit Meter gut zu machen und den Abstand zu seinen Verfolgern zu vergrößern 🙂
In Saint-Sorlin-d’Arves steigt die Straße dann wie eine Mauer steil an. Rechts und links sehe ich aus den Augenwinkeln die Straßencafes und Shops, die ihre Waren feil bieten. Michael hat mir beim Anstieg zur Panorama-Route zuvor zugeflüstert, er würde gerade alles für eine kalte Cola geben – ich bin mir sicher er knickt bei den Verlockungen hier ein und kann der Versuchung nicht widerstehen, was meinem Vorsprung nicht schaden sollte. Auch dieser Anstieg ist wunderschön und man kann sich an der Landschaft kaum satt sehen. Am eisernen Kreuz erwartet einen ein kleiner Parkplatz mit Einkehrmöglichkeit. Es ist viel los hier oben und es windet bei kühlen Temperaturen, weshalb ich es mir ein paar Meter zurück um die nächste Kurve geschützt auf einer kleinen Mauer bequem mache und auf meine Mitstreiter warte.
Als alle da sind und sich die wärmenden Klamotten übergestreift haben, geht es auf der anderen Seite ein kurzes Stück runter und dann rechts rüber auf den Glandon. Bei der Abzweigung flitze ich in die falsche Richtung, mein Rad will wohl eher links nach Alpe d’Huez. Ich klettere das kleine Stück zurück und wir sind kurz darauf auf dem Glandon. Der Ausblick ist atemberaubend. Auf einem begrasten Hang ruht eine Schar Adler, die sich kurz darauf in die Luft erhebt und unsere Anstrengung mit einer kleinen Flugshow belohnen. Es ist kühl, wir bleiben nicht lange und nehmen die Abfahrt in Angriff. Philip saust voraus und ist schon bald aus meinem Blickfeld. Die Abfahrt ist 24km lang und mit Erreichen der Baumgrenze steigen allmählich auch wieder die Temperaturen und das Gefühl in den Fingern kehrt zurück. Ich hatte am Vortag in den Abfahrten schon ein gutes Gefühl, was mir sonst ja eher weniger liegt, aber auch heute fühlt es sich zunehmend wie auf Schienen an und ich lasse mehr und mehr laufen. Nach einer Weile traue ich meinen Augen kaum. Vor mir taucht Philip immer wieder auf. Ich verkürze stetig den Abstand und pirsche mich heran. Als er mich bemerkt kann er es kaum glauben und seine Versuche wieder zu entwischen kontere ich gepaart mit einem schallenden Lachen. Unser rasanter Ritt endet mit breit grinsenden Gesichtern in La Chambre, wo wir ein ganzes Weilchen auf Michael warten 🙂 Wir machen noch einen kleinen Zwischenstop im gefühlt größten Supermarkt der Region, was uns ein wenig überfordert und stärken uns ein letztes Mal für den Rückweg über die Straße des Hades.
Eigentlich wollten wir am darauffolgenden Tag weiter in die Schweiz, aber der dort anhaltende Starkregen und die Nachricht dass Furka und Grimsel-Pass gesperrt sind, lassen uns an unserem Plan zweifeln. Der Vermieter unserer schweizer Unterkunft versichert uns zwar, dass die Pässe rasch wieder geöffnet werden, die Schlechtwetter-Aussichten lassen aber vermuten, dass sie genauso schnell wieder geschlossen werden. Auf kurze Nachfrage könnten wir unseren Aufenthalt in unserem lieb gewonnenen Tinyhouse auch verlängern und entscheiden uns dafür in Frankreich zu bleiben – es sollte genau die richtige Entscheidung sein.
Vive le Tour
Schon im Vorfeld unserer Reise hatten wir mit dem Gedanken gespielt der diesjährigen Tour, die am folgenden Tag in Valloire ankommen sollte, einen kurzen Besuch abzustatten. Wir dachten vielleicht spontan am Transfertag zu schauen, wie wir es unter bekommen, aber nun, da wir in der Region bleiben war klar, der Ruhetag ist Tourtag 🙂 Nach einem entspannten Frühstück und kurzem Einkauf, packten wir uns ein paar Sachen, Schuhe usw. ein und machten uns per Rad auf den Weg zum Zielort. Das bedeutete wir mussten nochmal den Télégraphe hinaufklettern. Die Straße war eigentlich bereits für den öffentlichen Verkehr gesperrt, aber der Tourtross belebte die Region schon merklich. Mit zahlreichen anderen Radsportbegeisterten machten wir uns auf den Weg ins größte Eintritt freie Stadion. Und so kam es, dass das aufkommende Tourfeeling uns trotz der beiden anspruchsvollen Klettertage nach Valloire hinauffliegen ließ. Oben angekommen, raus aus den Radschuhen und rein ins Getümmel. Der Ort war im völligen Fieber.
Wir decken uns erneut in der kleinen Bäckerei mit Schinkenbaguette ein – „Ahhh monsieur sans beurre!“ 🙂 Wir schlendern durch den Zielbereich und greifen die ersten Goodies in Form von Fischerhüten ab. Praktisch, denn heute ist hier auch noch Kaiserwetter. Da wir vom ersten Tag den Weg, den die Fahrer nehmen werden, ein wenig kennen suchen wir uns ein schönes Plätzchen in einer Kurve am Straßenrand des Ortseingangs und schlagen unser Lager auf. Rund um uns herum füllt sich nach und nach der Bereich mit Jung und Alt. Schnell wird klar, darunter sind einige Karawanen-Profis 🙂 Es ist sehr unterhaltsam hier, wir haben eine perfekte Aussicht Richtung Galibier und können in die andere Richtung direkt auf den Zielbereich sehen. Zwischen Animation-Teams, Offiziellen und Semi-Pros die vorbeikommen, werden immer wieder Goodies verteilt und die Menge bei Stimmung gehalten, ehe die offizielle Werbe-Karawane anrollt.
Spätestens jetzt sind auch die letzten auf den Beinen und es wird alles abgegriffen, was in hohen Bögen aus den Autos fliegt. Für Mitbringsel ist jetzt gesorgt. So schnell der Korso angerauscht kam, ist er auch schon wieder weg und der Spuk vorbei. Einige Besucher verlassen den Bereich und scheinen wirklich nur wegen der Werbegeschenke gekommen zu sein. Wir warten gespannt auf das Eintreffen der Fahrer. Via Live-Übertragung verfolgen wir gespannt den Zweikampf vor dem Pass, ehe sich die Protagonisten in die Abfahrt stürzen und wenig später für einen Augenblick an uns vorbei rauschen. FIN
Wir treten den Rückweg an, was zunächst garnicht so einfach ist mit all den Absperrungen und Menge an Menschen und Fahrzeugen, die alle ins Tal wollen. In Schrittgeschwindigkeit vorbei an den Mannschaftsbussen geht es zunächst wieder hoch zum Télégraphe, ehe wir in einer recht großen Gruppe die Abfahrt zu unserer Unterkunft genießen.
Col de la Madeleine
Nach unserer kleinen Planänderung haben wir uns zwei Anstiege herausgesucht, die wir in der Region noch gerne mitnehmen wollen. Einer davon soll der Col de la Madeleine sein, der auch schon so manches Tour-Spektakel gezaubert hat. Da die Anfahrt wieder über das Maurienne-Tal erfolgen würde und wir nicht ein drittes Mal die grauselige Landstraße passieren wollen, entscheiden wir uns direkt am Fuss des Berges zu starten und verladen die Räder. Wir parken nahe La Chambre (in Saint-Jean startet die nächste Tour-Etappe am selben Tag) und setzen uns auf die Räder. Es geht quasi unmittelbar hoch und die kleine Straße schlängelt sich bald darauf durch einen dichten Wald den Hang hinauf.
Kaum jemand ist hier unterwegs und es ist paradoxerweise herrlich entspannend. Es ist nicht die eigentliche „Hauptstraße“, denn die wollen wir für die spätere Abfahrt nehmen. Wir erreichen Saint François Longchamp, einen kleinen Skiort, wo wir auf die Hauptstrasse treffen und uns der letzte Teil des Anstiegs bevorsteht. Der Ort gleicht einem verwaisten Geisterdorf, und während ich über den Parkplatz mit dem grob zerborstenen Asphalt rolle, höre ich förmlich die scharrenden Skischuhe und -stöcke, die den Ort im Winter mit Leben füllen. Von dort hat man einen wunderbaren Blick über die das Tal einfassende Bergkette und kann den Pass förmlich greifen.
Oben angekommen erwartet uns eine ca. 30-köpfige Gruppe Niederländer, die (es sah zumindest so aus) mit mehreren Kleinbussen zum Pass gefahren wurden und sich von dort in die Abfahrt stürzen. Aber erst werden zahlreiche Fotos gemacht und eine über den Köpfen surrende Drohne hält das Spektakel für die Ewigkeit fest. Ich komme mir ein wenig vor wie Reinhold Messner, der Ende der 80er-Jahre das Matterhorn erklimmt und plötzlich ungläubig vor einem Kiosk steht – aber irgendwie verstehe ich den Spaß daran auch 😉
Auch wir knipsen noch ein Erinnerungsfoto, ehe wir uns in die wohl verdiente Abfahrt begeben und es rollen lassen. Unten angekommen kommt schon wieder Tour-Feeling auf. Da sammeln sich Schaulustige am Straßenrand und wir nutzen die Gelegenheit uns unters Volk zu mischen und kurz darauf nochmal einen Blick aufs entspannt vorbeirollende Peloton zu werfen. Irgendwie war das ja auch fast wie ein Ruhetag 2.0…
L´Iseran – Mont Cenis
Als letztes Schmankerl unserer kleinen Auszeit haben wir uns den mit fast 3000hm höchsten Alpenpass und schönsten der Region aufgehoben. Wir starten von Lanslebourg-Mont-Cenis zügig talaufwärts. Michael hat für heute angekündigt an mir dran zu bleiben. Da ich in diesem Jahr durch die Abwesenheit eines Sailos oder Hannes außer Konkurrenz bisher alle Bergwertungen einheimsen konnte und meine Taktik der frühen Flucht gut aufging, war ich entsprechend vorgewarnt und schaltete bei der ersten Steigung einen Gang hoch. Ich flog davon und nach ein zwei Kehren war ich aus dem Blickfeld. Dieser erste psychologische Vorteil kann schon recht beflügeln. Wellig ging es dahin und ich merkte, dass es wohl noch ein Stück zum eigentlichen Anstieg am Ende des Arc-Tals sein musste – hätte ja auch mal vorher in die Routenplanung schauen können. In Bessans halte ich am Ortseingansschild an und beschließe auf meine Mitstreiter zu warten. Ich schaue auf die Uhr – fünf Minuten später rollen die beiden heran, das schreib ich mir dann mal im „Classement général“ fürs Gefühl oder spätere Ausreden innerlich gut. 😉
Aus irgendeinem Grund müssen nach dieser kurzen Warmfahr-Phase schon wieder Flaschen aufgefüllt werden, ehe wir endlich gemeinsam den Berg erklimmen können. Michael folgt seiner Ankündigung und beißt sich an mir fest. Ich benötige heute also eine andere Taktik und entscheide mich für die der langsamen Folter 🙂 Ich spiele in den steileren Passagen meinen Gewichtsvorteil aus und kann Stück für Stück einen komfortablen Abstand zu meinem Verfolger aufbauen.
Die Auffahrt kann man grob in drei Abschnitte unterteilen: der erste Part ist förmlich in eine Wand gezimmert ehe man ein kleines Plateau erreicht, von dem aus sich der Blick auf die Hochalpine Landschaft öffnet. Nachdem man sich hier kurz ausruhen kann führt die Straße über eine kleine Brücke in den zweiten Teil, der sich wiederum konstant mit einer durchschnittlichen Steigung von 8% den Hang hinauf schlängelt. Es wird zunehmend kühler und die Luft dünner. Kurz vor dem dritten Abschnitt geht es durch einen in den Fels geschlagenen Tunnel, ehe man noch einmal ein kleines Brücklein passiert. Ich versuche den unglaublichen Anblick immer wieder festzuhalten, aber die Handykamera gibt nicht annähernd wieder, wie eindrucksvoll mächtig die Landschaft und klein man selbst in diesem Moment ist.
Eine kleine Pause oberhalb der Brücke gibt einen herrlichen Blick über einen Teil des erklommenen Anstiegs und auf meinen Verfolger, den ich hierher aufschließen lasse. Michael hält natürlich nicht an, er wittert seine Chance. Ich fahre an ihn ran und verwickle ihn in ein Gespräch – die Landschaft, schön, ach, herrlich und so. Und wie sind die Beine noch?! Ich lasse ihn berichten 🙂 Aber er kommt mir schnell auf die Schliche, legt nochmal einen Gang zu und schafft es mit seiner Attacke eine kleine Lücke aufzureißen. Es ist recht Steil in diesem finalen Abschnitt und die letzte Kehre schon in Sichtweite. Von da an sind es dann keine 200 Meter mehr zum Pass. Ich halte zunächst ruhig den Abstand und pirsche mich bis zur Kehre wieder an ihn heran, gehe aus dem Sattel und nutze das Momentum wie nach Drehbuch. Der tosende Trubel findet nur in meinem Kopf statt und ich denke, so muss sich das anfühlen. Ein letztes mal spüre ich, wie Michael nachsetzen will, aber er hat sein Pulver bereits verschossen und kann die Lücke nicht mehr schließen. Zufrieden rollen wir über die Kuppe und finden neben einem kleinen Häuschen ein ruhiges und windgeschütztes Plätzchen in der Sonne. Philips Laune ist mäßig als er ankommt, und wir versichern ihm erst wenige Minuten da zu sein. Auf der Abfahrt halten wir noch einige Male, um einen letzten Blick auf die Landschaft zu werfen.
Zurück in Lanslebourg wollen wir noch den Mont Cenis hinauf. Von dort geht es über ein kleines Plateau mit Bergsee über eine kurze Abfahrt an die italienische Grenze. Eigentlich wollten wir dort einen kleinen Espresso genießen, aber die Auffahrt bereiten Michael und mir bzw. unseren Rädern Probleme. Die Straße wird neu geteert und eine Schicht aus feinstem Kies, also Gravel ;), der mit der teerigen Masse glasiert schön an den Reifen kleben bleibt, und dann zwischen Reifen und Felgenbremse einklemmt, macht eine Weiterfahrt leider unmöglich. An die Abfahrt garnicht zu denken, brechen Michael und ich ab und suchen uns das nächste Cafe am Straßenrand. Philip läßt es sich nicht nehmen den Anstieg alleine zu bewältigen, und somit als einziger von uns den Höhenmeter 10er voll zu machen, während wir uns leckere Crepes schmecken lassen. Schade, es wäre ein Bilderbuch-Abschluss gewesen, unsere Tour im Gegensatz zur großen Schleife in Italien enden zu lassen. Aber auch so beenden wir mit einer verkürzten Abfahrt eine schöne Woche ohne Stürze oder andere Zwischenfälle.