TheUnknownRace

Mittwoch 17.04.2024

Ich nehme meine gepackten Sachen, steige in den Zug und fahre über Linz nach Wien, zum Startort des „TheUnknownRace“. Es herrscht eine lockere und angenehme Atmosphäre, und ich erledige den Bike-Check schnell. Ich unterhalte mich mit einigen anderen Teilnehmern und stelle fest, dass ich einige von ihnen von anderen Veranstaltungen kenne. Anschließend radle ich zur Unterkunft, die Florian bereits bezogen hat. Erstmalig nehme ich an einem Langstreckenrennen in der „Pair“-Kategorie teil. Dies beruht auf einem Vorschlag von Florian vor einigen Monaten, dem ich ohne großes Zögern zugestimmt habe.

Am Abend gehen wir zum Briefing und geben zwei Taschen zur Verwahrung bei meinen Freunden ab. Danach kochen wir gemeinsam und tauschen uns während des Essens über unsere Erwartungen für die kommenden Tage aus.

Donnerstag 18.04.2024

Der Wecker läutet um 5:40 Uhr, 20 Minuten später erhalte ich per WhatsApp die Koordinaten vom ersten Checkpoint. Dieser befindet sich unterhalb der Hinteregger Alm bei Liezen. Ich versuche, mit Komoot eine Route zu planen. Die Gedanken, die ich mir dabei mache, und die Route, die schließlich dabei entsteht, können eigentlich nur der Uhrzeit geschuldet sein. Ich plane, durch den Wienerwald über die alte Westbahnstrecke in Richtung St. Pölten zu fahren. Die Routenplanung setzt sich über Wieselburg, Steyr und den Pyhrn Pass nach Liezen fort. Um 07:00 Uhr starten wir gemeinsam mit den anderen Teilnehmern die Tour. Schnell geht es über die Prater Hauptallee auf die Donauinsel zum nordwestlichen Anstieg auf den Kahlenberg. Ab hier trennt sich das Teilnehmerfeld. Schon im Anstieg kommen uns die ersten Teilnehmer entgegen, die die nördliche Route wählen. Florian und ich sind eine der wenigen, die die Route über den Wienerwald wählen. Trotz des Gegenwindes stoßen wir rasch in Richtung Westen vor. Zum Gegenwind gesellt sich Regen dazu, dies kann die Stimmung jedoch nicht sonderlich trüben. Erst als es im Anstieg zum Polsterer Kogel in Richtung Steinbach an der Steyr zu schneien beginnt, sinkt meine Laune deutlich. Nach weiteren vierzig Kilometern befinden wir uns bei tiefwinterlichen Bedingungen im Anstieg zum Pyhrn Pass. Die Temperatur sinkt auf -2°C und mir wird so kalt wie noch nie am Rennrad. Auf der Passhöhe versuche ich, an meine Daunenjacke zu gelangen, dies gelingt mir jedoch aufgrund meiner klammen Finger nicht. Ich verwerfe den kurzen Gedanken, mich von Florian in die Daunenjacke einkleiden zu lassen, und rolle massiv zitternd den Pass in Richtung Liezen hinunter. Gemeinsam erreichen wir das vorgebuchte Hotel in Liezen. Den äußerst mühsamen Check-in-Prozess, ein Automat, der nur leidlich gut funktioniert, erledigt Florian. Ich versuche währenddessen, mich in der Hotel-Lobby von den nassen äußeren Kleidungsschichten zu befreien. Etwas später liege ich geduscht und immer noch zitternd im Bett und denke an viele Dinge, jedoch nicht ans Radfahren.

Freitag, 19.04.2024

Ich wache um 5 Uhr früh auf und schnappe mir mein Handy. Mit Entzücken lese ich, dass der Veranstalter den ersten Checkpoint (CP1) aufgrund der winterlichen Bedingungen geschlossen hat und wir diesen Anstieg nicht mehr in Angriff nehmen müssen. Über Nacht sind die Klamotten weitgehend getrocknet, und meine Laune hat sich deutlich verbessert. Ich freue mich, dass wir nach Süden müssen und der Wetterbericht uns brauchbares Wetter prophezeit. Der nächste Checkpoint führt uns nach Tolmin, zum Aufstieg des Tolminske Ravne auf 990 Meter. Die Straßen sind schneefrei, jedoch ist es mit -1 Grad ziemlich kalt. Schnell erreichen wir den Anstieg zum Triebener Tauern und überholen einige Teilnehmer.

Als wir an der Passhöhe ankommen, treten technische Probleme am Rad auf. Zuerst lässt sich das Schaltwerk nicht mehr bewegen und ich befürchte ein gerissenes Schaltseil. Bei genauerer Begutachtung des Schadens entdecke ich einen defekten Freilauf. Eine schnelle Internetrecherche zeigt den nächsten offenen Fahrradladen in Richtung Süden, vor Judenburg. Dorthin komme ich aber ohne funktionierenden Freilauf nur sehr langsam. Nach etwas Überlegen hat Florian den rettenden Einfall: Wir verbinden die Kassette mit dem Laufrad mittels Kabelbindern. Auch wenn ich nun gezwungen bin, immer mitzutreten (Fixie bzw. starrer Antrieb), ermöglicht es mir, in einem flotten Tempo den Pass zu verlassen und nach Süden zu kommen. Hier oben auf rund 1200 Meter hat es -4 Grad und tiefwinterliche Verhältnisse. Beim Bergabfahren vergesse ich jedoch für einen kurzen Moment diesen Umstand, und die Kabelbinder werden von den Speichen einfach durchschnitten. Der Freilauf funktioniert wieder, auch wenn mir das erst vor der Tür des Fahrradladens auffällt.

Ich nutze die Gelegenheit und lasse mir den Schlauch im Vorderreifen tauschen. Mit meinen durchgefrorenen Fingern wäre dies ein hoffnungsloses Unterfangen. Nach einem kurzen Zwischenstopp in einer Bäckerei fahren wir weiter über den Perchauer Sattel nach Kärnten. Nachdem wir Villach hinter uns gelassen haben, befinden wir uns bald in Italien und klettern über den Predil Pass bei schon fast frühlingshaften 6 Grad nach Slowenien. Wir erreichen am frühen Abend Tolmin, checken in unsere Unterkunft ein, legen etwas Gepäck ab und klettern anschließend zum Checkpoint hinauf. Bei der gesamten Strecke bleibt die Stimmung sehr gut, und ich verdränge die Gedanken an weitere oder wiederkehrende Defekte. Wir organisieren uns Pizza zum Abendessen und begeben uns um 23 Uhr zu Bett, um halbwegs ausgeruht in den nächsten Tag starten zu können. Dieser bringt uns, wie uns anhand einer Mitteilung am zweiten Checkpoint (CP2) mitgeteilt wird, zurück in die Steiermark. Die Planung dorthin wird aufgrund der vielen vor uns fahrenden Teilnehmer deutlich einfacher.

Samstag, 20.04.2024

Am nächsten Tag begeben wir uns gegen 6 Uhr früh auf die Räder und verlassen Tolmin in Richtung Nordosten. Wir klettern durch ein wunderschön ruhiges und nebliges Slowenien in Richtung österreichische Grenze. Bei einem Supermarkt füllen wir unsere Reserven auf und klettern über die ersten ernst zu nehmenden Anstiege. In Bistrica, kurz vor dem Anstieg zum Loiblpass, genehmigen wir uns noch eine Kaffeepause bei herrlichem Sonnenschein und milden Temperaturen. Nur eine Stunde später empfängt uns die österreichische Seite des Scheiteltunnels am Loiblpass mit einem ausgiebigen Graupelschauer bzw. Schneefall. Der nächste Streckenabschnitt ist geprägt durch einen stetigen und sehr starken Gegenwind. Die Möglichkeit, abwechselnd Windschatten zu geben, hilft enorm, diesen Tag zu überstehen. Mit Erreichen der Steiermark dreht unsere Strecke in Richtung Osten, und der Wind verhilft uns zu einem herrlichen Abend am Rad. Wir checken in Bruck an der Mur im Hotel ein und lassen uns eine Pizza liefern. Gut gestärkt, versuchen wir uns für den letzten Tag dieses Unterfangens auszuruhen.

Sonntag 21.04.2024

Wir verlassen das Hotel gegen 05:30 Uhr und rollen in Richtung Straßegg um anschließend zum letzten Checkpoint am Ostufer des Neusiedlersees zu radeln. Wir haben die verschiedenen Routenmöglichkeiten intensiv und ausgiebig diskutiert. Schlussendlich entscheiden wir uns für die Variante über Birkfeld und den Wechsel. Ein Umdrehen und Fahrt über den Semmering will ich nicht zustimmen, da ich diesen für den unattraktivsten Pass in der Gegend halte. Wenn ich schon durch meine Wahlheimat fahre, dann durch den optisch ansprechenderen Teil. Am Straßegg werden wir von der Fotografin herzlichst empfangen und von allen Seiten fotografiert.

Nach einer kleinen Stärkung rollen wir die schöne Abfahrt in Richtung Birkfeld hinunter. Dort angekommen, erledigen wir einen kurzen Einkauf an einer Tankstelle und treffen auf einen weiteren Teilnehmer. Der Franzose, dem das Rennen deutlich zugesetzt hat, sitzt mit mieser Laune bei Kaffee und Keksen. Es zeigt sich, dass ich kein guter Motivator bin und mir gelingt es nicht, seine Stimmung aufzuhellen, lasse mich aber nicht von seiner Laune anstecken. Der Weg über den Wechsel, ist hügelig und wunderschön, nur der starke und kalte Nordwind stört etwas. In Mörbisch erreichen wir die Fähre, über den Südteil des Neusiedlersees in Richtung Illmitz (letzter Checkpoint), ein paar Minuten vor der Abfahrt. Anschließend führt uns der Weg zurück nach Wien. Auch wenn der starke Wind die Fahrt mühsam macht, erreichen wir um 18:50 die Donaubrücke und sind endlich zurück in Wien. Wir werden von Magdi und Mäki (denen wir unsere Taschen anvertrauten) herzlichst empfangen und werden hervorragend verköstigt. DANKE!
Anschließend begeben wir uns zur Finisher Party und geben unsere Tracker zurück. Dort empfängt uns eine ausgezeichnete Stimmung.

Das UnknownRace ist ein tolles Rennformat, an dem ich wohl nochmals teilnehmen werde. Die Wetterbedingungen, die uns dabei begleitet haben, waren jedoch so massiv mühsam, dass ich als Einzelstarter das Rennen nicht beendet hätte. Daher einen großen Dank an Florian für die Unterstützung und die gute Laune während der vier gemeinsamen Tage am Rad.

Einige Zahlen:
Strecke: 1.123 km
Höhenmeter: 13.865 HM
Zeit: 83:49 Stunden
Zeit (in Bewegung): 46:39 Stunden

Foto 1 und 2:
Florian Klein
Foto 3:
Homepage: https://www.biteofme.com/
Instagram: https://www.instagram.com/bite.of.me/

text: stefan eferdinger

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