Hamburg Cyclassics 2022

Am Sonntag den 21. August 2022 fand nach zweijähriger Pause die 25. Ausgabe der Hamburger Cyclassics in der Hansestadt statt. Jan und ich reisen am Vortag von Berlin aus an. Von Freunden bekomme ich den Tipp für eine zentrumsnahe Unterkunft, o-Ton „ein bisschen unexpected“ – wir checken im „Motel Hamburg“ ein und werden in die USA der 50/60er-Jahre zurückkatapultiert.

Wir spazieren in die Stadtmitte und machen uns auf die Suche nach der Startnummernausgabe. Das Zentrum ist spürbar mit unzähligen Radbegeisterten und -interessierten übersäht. Es geht ähnlich quirlig zu, wie vergangenen Monat beim vergleichbar großen Velocity in Berlin, und dennoch ist die Menge wesentlich heterogener und kein solches Schaulaufen. Nach kurzem Anstehen halten wir unsere Startunterlagen in den Händen und es kommt erste Ernüchterung bei uns auf. Wir sind in die Blocks H und I (ver)gesteckt worden. Ehe wir den Italiener um die Ecke unserer Unterkunft bemühen unsere Kohlenhydratspeicher aufzufüllen werden noch die letzten Vorbereitungen für den morgigen Tag getroffen.

Um 6 klingelt der Wecker und nach einem kleinen Frühstück in ebenso kulissenhaftem Ambiente schwingen wir uns auf die Räder und rollen die kurze 3,5km lange, leicht abschüssige Anfahrt zur Startzone hinunter. Wir fahren an VIP, A, B, C… vorbei und es wird zunehmend leerer in den Blocks. Als wir bei H ankommen und es augenscheinlich keine Kontrollen an den Eingängen gibt, beschließen wir kurzerhand uns doch zwei drei Blocks nach vorne zu mogeln. Wir reihen uns direkt hinter dem Frauenstartblock ein und geniessen die entspannte Atmosphäre. Ganz vorne wird der Start eingeleitet und in wenigen Minuten dürfen auch wir auf die Strecke. Da ertönt es plötzlich hinter uns: „Na, ihr seid aber im falschen Block!“ Wir könnten noch schnell in unsere Blöcke oder würden disqualifiziert. Da es zumindest für uns ohnehin keinen Blumentopf zu gewinnen gibt, wählen wir Zweiteres – was natürlich sofort ordentlich notiert wird. Wenige Augenblicke später rauscht der Block los. Wie bei einem Zwift-Rennen beschleunigt der Pulk in Sekundenbruchteilen von 0 auf 40km/h. Ich komme gut voran und arbeite mich Rad für Rad nach vorne. Ehe wir die Stadtgrenze erreichen formt sich eine gute und schnelle 20er-Gruppe. Ein paar mal blicke ich mich um, aber Jan hat es wohl nicht in die Gruppe geschafft und ist ausser Sicht zurückgefallen.

Unsere Gruppe arbeitet gut zusammen und wechselt zügig durch, wodurch keiner besonders lange im Wind fahren muss. Dabei passieren wir zahlreiche Fahrer:innen aus den Blocks vor uns, und werden jedesmal schneller, als ob man den anderen erst garnicht die Möglichkeit geben will sich bei uns ranzuhängen. Das Tempo fordert seinen Tribut und als ich mich in Elmshorn umblicke ist die Gruppe um die hälfte ausgedünnt. Hier macht die Route auch einen Richtungswechsel und es kommt zu einer kräftezehrenden Windkante. Bis Klevendeich kann ich noch mitgehen, muss dann aber auch reißen lassen und mein eigenes Tempo fahren. Das kostet viele Körner und ich bin froh als sich Volker, der meint als Rondonneur normalerweise nicht solche Geschwindigkeitsrausch-Veranstaltungen zu besuchen, zu mir gesellt. Wir bleiben bis zum Kösterberg zusammen, dann bedanke- und verabschiede ich mich und klettere den zugegebenermaßen für nördliche Regionen überraschenden Anstieg hinauf. Da rauscht plötzlich und vollkommen unerwartet Jan mit seiner Gruppe an mir vorbei. Mein Versuch in der Steigung auf deren Tempo zu beschleunigen mißlingt leider und ich sehe Jan mit einem weinenden und einem lachenden Auge hinterher. Chapeau!
Kurz darauf erreiche ich die Aussenbezirke Hamburgs und das Ziel rückt in greifbare Nähe. Die letzten Kräfte werden mobilisiert und der Rausch der Geschwindigkeit nimmt im Schutz der Häuser noch einmal ordentlich Fahrt auf. Nach 2h 25min ist der 100er mit einem 39er Schnitt dann im Kasten. Bis zum Ziel hat mir Jan dann fast 3 Minuten abgeknöpft. Wir lassen noch ein kühles alkoholfreies Bierchen die trockenen Kehlen runterlaufen und rollen zurück zur Unterkunft, packen ein und auf einer entspannten Rückfahrt den unglaublich schnellen Vormittag Revue passieren.

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